懐かしい - natsukashii

12.10.2017

Jede Sprache hat diese wunderbaren Wörter die bestimmte Dinge einfach wahnsinnig gut beschreiben, dabei aber einfach nicht richtig in die eigene Sprache übersetzt werden können. "Fernweh" ist zum Beispiel so ein schönes deutsches Wort, das wohl in keiner anderen Sprache genau so existiert. Mein japanischer Wortschatz mag zu diesem Zeitpunkt noch stark begrenzt sein, ein Wort habe ich aber schon jetzt besonders lieb gewonnen - 懐かしい (sprich: natsukashii). Langenscheidt übersetzt "natsukashii" als "sich sehnen", aber eigentlich steckt noch viel mehr darin. Das Wort bezeichnet eine gewisse Nostalgie - ein in Erinnerungen schwelgen - wenn man sich plötzlich an ein zurückliegendes lieb gewonnenes Ereignis erinnert. Plötzlich das Lied zu hören, das man zuletzt zur Kollegstufenparty in der 10. Klasse gehört hat ist "natsukashii", in dieses eine Café vom letzten Frankreichurlaub zurückzukehren und endlich wieder den besten Schokokuchen von damals zu essen ist "natsukashii" oder auch das alte Fotoalbum herauszukramen und sich zurückzuerinnern, an das was war. In Japan wird das Wort besonders gerne verwendet, wenn man beispielsweise mit Freunden zusammen sitzt und sich zusammen an den letzten gemeinsamen Urlaub erinnert und dann sagt "Natsukashii - Ich erinnere mich und mensch,... war das eine schöne Zeit!". 

 

Heute morgen bin ich mit dem Flugzeug über das noch dunkle Frankfurt geflogen und habe nach 6,5 Wochen zum ersten Mal wieder deutschen Boden betreten. Es ist noch ziemlich unglaublich für mich, gestern waren wir noch am Fluss spazieren, ich und der Lieblingsjapaner, haben Abschiedskuchen zum Frühstück gegessen und gelacht und geweint und jetzt, knapp 24 Stunden später bin ich so viel zu viele tausende Kilometer weit weg. Der Koffer riecht noch nach Tokyo-Wohnung, wenn ich ihn aufmache dann fallen ein paar schwarze, dicke Haare heraus und wenn ich die Augen zumache und meine Nase hinein halte, könnte ich mir fast vorstellen, ich wäre noch dort. Ich weiß nicht, ob das dann schon "natsukashii" ist, schließlich ist es erst einen Tag her, dass dieser Geruch überall um mich war, ich wüsste aber kein Wort, das mein Gefühl besser beschreiben könnte. Es ist so verrückt, wie sich 6,5 Wochen wie eine Ewigkeit anfühlen können, so als würde ich tatsächlich auch ein bisschen in dieser winzigen Wohnung am Rande Tokyo wohnen und noch viel verrückter ist, wie schnell diese Zeit, auf die ich so lange hingefiebert habe, einfach so an mir vorbeigerauscht ist und jetzt schon wieder in der Vergangenheit liegt. Auch der Tag vor dem ich mich die ganze Zeit gefürchtet habe, der schreckliche Flughafen-Abschieds-Tag ist überwunden und ich möchte ihn am liebsten ganz schnell vergessen. Jetzt liegen vor mir eine ungewisse Anzahl Monate mit Durch-den-Bildschirm-anschauen und "natsukashii"-denken beim alte Fotos anschauen. Die schönste Auswahl findet ihr unter diesem Eintrag.

 

Und in der Zwischenzeit mache ich all diese Dinge, die man eben so macht um sich abzulenken, um nur ja nicht an den Lieblingsjapaner denken zu müssen, wie er mich am Flughafen mit großen feuchten Rehaugen fest anschaut und sagt "We are strong". Denn wenn ich daran denke, dann ist das nicht nur "natsukashii", sondern einfach wahnsinnig "kanashii" - traurig.


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