Alleine-Zeit

31.08.207

Was das Studium und andere tägliche Verpflichtungen angeht, entspricht mein Freund dem Klischee des fleißigen Japaners. Er mag im Vergleich mit anderen Japaner vielleicht nur im Mittelfeld der Fleißigen zu finden sein, trotzdem geht er gewissenhaft zu jedem von seinem Professor organisierten Barbesuch, auch wenn er insgeheim gar keine Lust hat und fährt so oft es möglich ist in die Uni um sich "mal im Labor blicken zu lassen". Das bewundere ich an ihm, denn eigentlich wäre ich dementsprechend gerne auch ein bisschen durchhaltefähiger. Der Haken an der Sache ist aber, dass der Fleiß auf Seiten des Lieblingsjapaners für mich während meiner Besuche zu vielen Tagen führt, die ich alleine verbringen muss. Für mich ist das schön und schwierig gleichzeitig. Schwierig, weil ich in der begrenzten Zeit die wir zusammen haben, natürlich so viel wie möglich zusammen unternehmen will. Außerdem kenne ich sonst niemanden in Tokyo wirklich gut, das viele U-Bahn-Umhergefahre ist teuer und das selbst beschäftigen fällt mir dementsprechend teilweise schwer. Schön an der ganzen Sache ist im Gegenteil aber, dass ich jetzt zu vielen Dingen komme, die ich sowieso nur alleine unternehmen kann. Gestern zum Beispiel war ich das erste Mal beim Training der Tokyo3 Rollers, dem lokalen Roller Derby Team Tokyos. Dass Menschen, die Roller Derby spielen cool sind wusste ich eigentlich schon vorher, mein gestriger Abend hat das aber nochmal bestätigt. Das Team in Tokyo ist überraschend Männerlastig, relativ groß und ziemlich stark. Das Training war eine echte Herausforderung und hat deswegen umso mehr Spaß gemacht. Außerdem wurde ich so nett aufgenommen, auch wenn einige der Mitspieler kein Englisch verstehen können. Es freut mich immer wieder, wie sehr dieser Sport Menschen auf der ganzen Welt vorurteilsfrei verbindet... ein wirklich schöner Abend! 

 

Mt. Fuji auch vom Badehaus aus zu sehen ;)
Mt. Fuji auch vom Badehaus aus zu sehen ;)

Auch heute hatte ich wieder den Tag über frei und habe das regnerische Wetter genutzt, um ein lokales Sentō in Laufabstand zur Wohnung des Lieblingsjapaners zu besuchen. Ich bin ein großer Fan der japanischen "Onsen", also die natürlichen heißen Quellen, die es überall im Land zu finden gibt, selbst in der Großstadt Tokyo. Dort sind sie aber eher mit Wellness-Spas zu vergleichen und damit entsprechend teuer. Eine echte Alternative ist das japanische Badehaus - "Sentō" genannt. Sentōs gibt es gefühlt an jeder zweiten Straßenecke, ob das nur so ist, weil ich in Tokyo bin, weiß ich nicht genau. Viele von ihnen sind in ihrer Ausstattung eher älter und werden gehäuft vor allem unter der Woche von einem eher lokalen, älteren Publikum besucht, was allerdings sehr zum Charme der Badehäuser beiträgt. Und ein Besuch in einem solchen Sentō ist mal abgesehen vom Entspannungsfaktor schon um die japanische Kuktur besser kennen zu lernen toll. So verschlossen der Klischeejapaner im Alltag auch sein mag, im Onsen oder Sentō scheinen mit der abgelegten Kleidung auch jegliche Zurückhaltung abzublättern. Vielleicht liegt es auch daran dass ich als jüngere, weiße Ausländerin aus der Gruppe der japanischen Seniorinnen heraussteche, es passiert jedoch öfter, dass ich im Bad von wildfremden Japanerinnen in ein Gespräch verwickelt werde, dem ich leider zum Großen nicht folgen kann, schoen ist diese Kontaktausnahme aber trotzdem. Ich habe aber auch schon öfter erlebt, dass sich die halbe Nachbarschaft im lokalen Sentō trifft um den neusten Tratsch auszutauschen. Ein Badbesuch wird von den Japanern wirklich zelebriert. Ich habe außerdem vorher noch nie Menschen gesehen die sich so voller Hingabe waschen, abschrubben und von den Ohren bis zum kleinen Zeh in eine Schaumwolke hüllen. Wer denkt er ist ein prinzipiell sauberer Mensch, sollte unbedingt mal nach Japan fahren und einer derartigen "Waschzeremonie" beiwohnen. Danach macht man sich die Zehenzwischenräume nochmal viel gründlicher sauber. Auch mein heutiger Sentō-Besuch hat mich tiefenentspannt und kulturell ein bisschen erleuchteter entlassen - das macht Tage allein wirklich um ein vielfaches fröhlicher! :)

Beste Grüße, deine

- Isabella


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