Schwarz-Weisse-Ansichten

02.09.2017

Wenn man als Deutsche*r ins Ausland reist, ist es gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass man sich frueher oder spaeter im Besten Falle Witze ueber Fussball und Bier, in schlimmsten Falle ueber Hitler anhoeren muss. Das ist manchmal lustig und manchmal nervig und manchmal auch ziemlich bescheuert. Meinem Lieblingsjapaner geht es da ganz aehnlich, er hoert Sching-Schang-Schong-Chinesenwitze nur weil er asiatisch aussieht oder muss sich vor auslaendischen Mangafans als Nicht-Kenner outen, das alles sieht er aber ziemlich locker. Was mein Lieblingsjapaner aber so wenig leiden kann wie ich Hitler-Imitationen, ist die Frage ob er taeglich arme Walbabies zum Fruestueck verspeist. Eigentlich mag er da gar nicht drueber diskutieren, denn stereotyp-japanisch ist man lieber leise wenn man gefuehlt nicht genug Vorwissen zu dem Thema hat, aber wenn er von solchen Begegnungen erzaehlt schaut er so genervt wie sonst nie und ich spuere, wie ihn das Klischee des Waljagenden Monster-Japaners extrem aergert. So wie dem Lieblingsjapaner geht es wohl vielen Japaner*innen, besonders seit die amerikanische Dokumentation "the Cove" einen Academy Award gewonnen hat. In dieser Dokumenation in Spielfilmlaenge werden Tierschuetzer begleitet, die gegen die Delfintreibjagd im japanischen Kuestenort Taiji vorgehen. Der Film wird belegt mit Begriffen wie "Oeko-Thriller" und loeste international eine Welle der Kritik gegenueber Taiji und Japan aus. In Japan wurde der Film wohl im besten Falle "gespalten" aufgenommen, vielfach wurde jedoch die einseitige Berichterstattung der Dokumenation kritisiert. Das wollte die japanische Regisseurin Megumi Sasaki aendern und drehte daraufhin die Dokumentation "A whale of a tale". Es sollte die erste Dokumentation zu dem Thema aus japanischer Sicht werden, der einem internationalen und nicht nur japanischen Publikum zugaenglich gemacht wurde. 

Und gestern wurde eben jeder Film erstmals (?) auch in Tokyo gezeigt, in Anwesenheit der Regisseurin mit anschliessender Diskussion. Mein Lieblingsjapaner und ich haben nicht unbedingt den gleichen Filmgeschmack, diesen Film wollten wir aber beide sehen, und das mussten wir dementsprechend ausnutzen. Im Film reist die Regisseurin ueber mehrere Jahre hinweg immer wieder nach Taiji um sowohl Sea-Sheperd-Aktivisten, die Delfin-Fischer und ihre Familien, Lokalpolitiker wie auch einen weiteren neutralen Journalisten zu interviewen und kennenzulernen. Sie zeigt die ueberwaeltigende mediale Ueberlegenheit der Aktivisten gegenueber der einfachen Fischer, die gar nicht so recht zu verstehen scheinen, wieso aufeinmal diese ganzen Auslaender ihren kleinen Ort kommen, Diskussionen werden gefuehrt ueber Traditionen, finanzielle Moeglichkeiten und die "Sonderstellung" der Meeressaeuger in ihrer "Schuetzenswertigkeit" und am Ende ist man sich als Zuschauer aufeinmal gar nicht mehr so sicher. ob es eigentlich eine Gute und eine Boese Seite in diesem Streit gibt. Auch ich esse kein Fleisch und lehne es ab, dass Tiere zu unserem Vergnuegen in Aquarien Saltos schlagen und zu unserem Genuss zerteilt auf unserem Teller landen. Wie viel Verstaendnis ich im Anschluss an den Film fuer die Lokalbevoelkerung haben wuerde, habe ich deswegen nicht erwartet. Der Film zeigt, festgefahrene Ansichten auf beiden Seiten. wie schwierig und gefaehrlich eine Schwarz-Weiss-Antwort manchmal sein kann und dass dieses Thema in Verbindung mit der Frage wie wir Lebewesen im Allgemeinen behandeln viel staerker diskutiert werden muesste, ohne eine Seite zu ignorieren. Zudem portraitiert die Regisseurin trotz des ernsten Themas extrem interessante und amuesante (!) Charaktere, fuer die es sich schon alleine gelohnt hat, den Film anzusehen. 

Interessant war es auch, die Emotionalitaet vieler Japaner*innen in Verbindung mit dem Thema in der Abschlussdiskussion zu sehen. Es wurde deutlich, dass Japan keineswegs so unschuldig und traditionsbewusst ist, wie manche gerne nach Aussen zeigen wuerden, trotzdem konnte ich die von vielen Japaner*innen - allen voran des Lieblingsjapaners - gefuehlte Ungerechtigkeit der teils verdrehten Ansichten des Westens auf Japan in dieser Thematik gut nachvollziehen. Ein Blick auf die andere Seite der Diskussion lohnt sich immer. Diesen Film zu sehen auch. Vielleicht habt ihr ja mal die Moeglichkeit dazu?

Beste Gruesse, deine

- Isabella


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